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Schadstoffsanierung: Gefährliche Überraschungen erkennen

Schmuckstücke mit Erblast

Bestandsgebäude bergen manche Überraschungen. Zu den ungeliebten gehören die Hinterlassenschaften der Bauprodukte vergangener Jahrzehnte. Solche Altlasten zu erkennen, gehört zwar nicht zu den Kernaufgaben der Architektenschaft. Ein offenes Auge sollte man als Treuhänder der Bauherren aber mitbringen, um im Zweifelsfall Experten mit einer genauen Analyse beauftragen zu können.
Helmut Köttner [Dipl.-Geoökologe]
Der Experte: Helmut Köttner

 

Umweltchemiker [ Dipl.-Geoökologe ] und

Technischer Leiter des Sentinel Haus Instituts

 

Tolle Lage, großer Garten, charmante Architektur: Gebrauchte Immobilien können viele Vorteile haben und sind deshalb bei Interessenten beliebt. Nicht zuletzt sind sie in der Anschaffung erst einmal deutlich günstiger als ein Neubau, auch wenn sie einen höheren Energieverbrauch und etwas unmoderne Grundrisse haben. Die Begeisterung über die zentrumsnahe Lage, die großzügige Grundstücksfläche und das historische Ambiente wandelt sich allerdings rasch zum Alptraum, wenn chemische Altlasten ins Spiel kommen. Auch das finanzielle Risiko für die Bauherrschaft ist enorm, fünf- bis sechsstellige Eurobeträge sind bei einer notwendigen Kernsanierung rasch erreicht.

Auch wenn die Freude über ein Schnäppchen groß ist, sollten die Beteiligten das Risiko einer Schadstoffbelastung nicht übersehen. Denn leider wurden in den vergangenen Jahrzehnten viele Baustoffe eingesetzt, deren gesundheitliche Risiken erst nach und nach bekannt wurden.

Schimmel ist der Klassiker

Und deren Liste ist lang: Offener und verdeckter Schimmelbewuchs ist ein häufiger Bekannter aber auch der Schädlingsbefall von Holzteilen hängt oft mit Feuchteproblemen und schlechter Bestandserhaltung zusammen. Wenn sowieso saniert werden muss, lassen sich solche Probleme meist in einer Hauruck-Aktion und dem Austausch kompletter Bauteile lösen. Schwieriger ist es mit chemischen Stoffen, die früher verwendet wurden.

Die Tabelle gibt einen groben Überblick, in welcher Zeit in etwa welche Produkte zum Einsatz kamen.

Überblick: Schadstoffbelastete Bauprodukte nach Baujahr
Download: Tabelle schadstoffbelastete Bauprodukte nach Baujahr (pdf, 35.9 KB)

Schrittweise vorgehen

Besteht der Verdacht auf Schadstoffe, empfiehlt sich schrittweises Vorgehen, um eine eventuelle Belastung beurteilen zu können und gleichzeitig die Kosten für eine Untersuchung im Rahmen zu halten. Idealerweise findet diese vor dem Erwerb der Immobilie statt. So kostet eine erste Einschätzung anhand von Bauplänen und alten Rechnungen circa 300 bis 400 Euro. Diese beschreibt allerdings lediglich das potenzielle Risiko einer Belastung. Ist diese nicht auszuschließen, empfiehlt sich eine Vor-Ort-Begehung durch den Experten (siehe Adressen), die schon exakte Anhaltspunkte für vorhandene Schadstoffe bietet. Hier können dann auch schon Proben entnommen werden. Insgesamt ist hier mit Kosten ab etwa 1.000 Euro inklusive einer Raumluftprobe auf Flüchtige Organische Verbindungen (VOC) und Formaldehyd zu rechnen. Kommen weitere Proben, zum Beispiel Materialproben auf Holzschutzmittel, hinzu, kann es auch 2.000 Euro und mehr kosten. Die eigentliche Sanierung kann dann schnell einen fünfstelligen Betrag in Anspruch nehmen. Für Käufer von Gebrauchtimmobilien ist deshalb eine rechtliche Absicherung im Kaufvertrag sinnvoll. Die Beprobung und Auswertung muss unbedingt nach den Vorgaben eines bei der Deutschen Akkreditierungsstelle DAkkS akkreditierten Prüfinstituts erfolgen, da ansonsten die Ergebnisse nicht gerichtsfest sein können.

Ausbauen oder Abkapseln?

Stellt sich eine Belastung erst nach dem Kauf heraus oder stellen (langjährige) Hauseigentümer fest, dass Schadstoffe im Haus sind, lautet die Frage, ob man die schadstoffbelasteten Bauteile ausbauen oder einfacher vom Wohnraum abkapseln soll, zum Beispiel durch absperrende Anstriche oder diffusionsdichte Folien. Die Entscheidung darüber hängt von der Art und Höhe der Belastung und deren Bewertung durch Experten ab, weshalb in diesem Fall qualifizierte Untersuchungen und Messungen unabdingbar sind.  

Grundsätzlich ist ein Ausbau schadstoffbelasteter Materialien empfehlenswert, da zum Beispiel Absperrbeschichtungen selbst wieder Schadstoffe in das Gebäude einbringen können. Eine Entsorgung empfiehlt sich immer dann, wenn bei späteren Umbauten die Schadstoffe wieder freigesetzt werden könnten. Patentrezepte gibt es leider keine, die Gegebenheiten sind individuell zu untersuchen und zu bewerten. Ist zum Beispiel ein Dach aus Nagelbindern, das niemals begehbar sein wird, mit alten künstlichen Mineralfasern belastet, und muss darunter sowieso eine Luftdichtung eingebaut werden, kann der Schadstoff sicher und dauerhaft vom Wohnraum getrennt werden. Wie die Entscheidung ausfällt, hängt immer auch davon ab, wie nahe die Schadstoffquelle am Lebensraum liegt und wie hoch der bauliche und finanzielle Aufwand ist. So hart es ist: Bei schwerwiegenden Belastungen muss auch der Abriss des Gebäudes und ein kompletter Neubau eine Option sein.

Einige Schadstoffe im Detail

Um bei einer Begehung oder Begutachtung Anhaltspunkte für eine eventuelle Belastung zu haben, sind im Folgenden einige häufig vorkommende Schadstoffe näher beschrieben.

Vorkommen: Brandschutzprodukte (hier auch schwach gebunden als Spritzasbest, Asbestpappen oder -schnüre), Asbestzementprodukte wie Wellasbestzement- und Fassaden-Platten („Eternit“), Bodenbeläge („Flex-Platten“,“ Cushion-Vinyl“) vereinzelt auch Bodenbelagskleber. In geringen Masseanteilen auch in rissüberbrückenden Putzen und Spachtelmassen.

Gesundheitsgefahren: Feine Asbestfasern sind lungengängig und erhöhen das Risiko für Krebserkrankungen der Lunge, des Rippen- und des Bauchfells

Sanierung / gesetzliche Vorgaben: Zur Vorbereitung von Sanierungsarbeiten ist die „Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden“ des Umweltbundesamtes (UBA) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua)  hilfreich.

Die Sanierungsnotwendigkeit kann eingestuft werden anhand der „Asbestrichtlinien“ der Bundesländer.

Bei den Arbeiten ist in jedem Fall die TRGS 519 „Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ zu beachten. Hier sind Vorgaben zu Entfernung vs. Abkapselung der Schadstoffquellen definiert.

Vorkommen: Vor allem in PCB-haltigen Fugendichtmassen ("Thiokol"). Dazu Kondensatoren in Leuchtstoffröhren (nur bei Leckagen), PCB-haltige Flammschutzmittel, sowie Anstriche und Kunststoffe mit PCB als Weichmacher. Gelegentlich sind Parkett- und Teppichfliesenkleber sowie Parkettfugenkitte mit PCB zu finden.

Gesundheitsgefahren: PCB werden in der Regel nur in geringsten Mengen aufgenommen, reichern sich aber sehr stark im Fettgewebe an. Die Kenntnisse zur Langzeitwirkung von PCB auf das Hormon-, das Immun- und das zentrale Nervensystem sind nur lückenhaft. Möglicherweise wirken polychlorierte Biphenyle darüber hinaus krebsfördernd.

Sanierung / gesetzliche Vorgaben: Die Entfernung der Quellen ist meist die Methode der Wahl. In besonderen Situationen ist auch eine Maskierung möglich. Diese ist aber möglicherweise nicht dauerhaft erfolgreich.

Gerade bei flächigen Belastungen wie PCB-haltigen Anstrichen oder Bodenbelagsklebern ist es empfehlenswert, die belasteten Materialien durch Abstemmen oder Abfräsen zu möglichst vollständig zu entfernen. Elastische Fugendichtmassen werden häufig vereist und anschließend ausgefräst.

Zum Vorgehen und zur Einschätzung der Sanierungsnotwendigkeit sind die PCB-Richtlinien der Bundesländer zu beachten.

Vorkommen: Hölzer im Außenbereich, Dachstuhl. Konstruktionshölzer in Fertighäusern aus den 60er und 70er Jahren. In den 70er und 80er Jahren wurden Holzschutz-Lasuren auch im Innenbereich auf sichtbaren Holzverkleidungen und Balken verwendet („Xyladecor“).

Gesundheitsgefahren: Meist unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Mattigkeit, verstärkte Infektanfälligkeit, Leistungs- und Konzentrationsschwächen, Kopfschmerzen und Übelkeit. Vereinzelt wurden auch Reaktionen besonders empfindlicher Personen bereits auf geringe Spuren von PCP beobachtet.

Sanierung / gesetzliche Vorgaben: Entfernung der Quellen ist meist die Methode der Wahl. In besonderen Situationen ist auch eine Maskierung möglich. Diese ist aber möglicherweise nicht dauerhaft erfolgreich.

Häufig handelt es sich bei den belasteten Flächen um Holzverkleidungen, die relativ einfach vollständig ausgebaut werden können. Schwieriger wird es, wenn tragende Bauteile mit Holzschutzmitteln behandelt wurden. Hier muss geprüft werden, ob unter statischen Gesichtspunkten ein Abfräsen der belasteten Oberfläche möglich ist (meist ca. 1-2 mm), oder ob im Einzelfall ein absperrender Anstrich sinnvoll eingesetzt werden kann.

Zum Vorgehen und zur Einschätzung der Sanierungsnotwendigkeit sind die PCP-Richtlinien der Bundesländer zu beachten

Vorkommen: PAK sind im Gebäude vor allem in teerhaltigen Produkten enthalten. Bekannteste Quelle sind teerhaltige (schwarze) Kleber für Parkette, aber auch schwarze Belagskleber unter Vinyl-Böden können betroffen sein. In Einzelfällen wurden im Wohnumfeld auch teerölimprägnierte Hölzer (v.a. Bahnschwellen) verwendet. Häufig ist bei diesen Produkten ein charakteristischer Geruch festzustellen.

Gesundheitsgefahren: Hier ist besonders die krebserzeugende Wirkung von Bedeutung. Der kanzerogene Effekt tritt überwiegend auf am Ort der Aufnahme. So erhöht sich nach Einatmen von PAK hauptsächlich das Lungenkrebsrisiko, nach Aufnahme über die Haut vor allem das Hautkrebsrisiko.

Sanierung / gesetzliche Vorgaben: Bei Kernsanierung ist die Entfernung der Quelle erforderlich. Dabei ist die TRGS 524 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen“ zu beachten.

Gerade wenn ein PAK-belasteter Bodenbelagskleber noch zusätzlich Asbestfasern enthält, wie es nicht selten in Klebeschichten unter Parkett oder Vinyl-Platten aus den 60er Jahren auftritt, ist unbedingt auf ein staubarmes Sanierungsverfahren (z.B. mit Spezialfräsen) zu achten.

Bei Erhaltung des Bodenbelags hilft die Anleitung „Sanierung PAK-haltiger Klebstoffe“ der BG Bau zur Auswahl der geeigneten Maßnahmen.

Vorkommen: Die Hauptquelle für Formaldehyd in der Raumluft (neben Tabakrauch) sind minderwertige Holzwerkstoffe. Insbesondere Spanplatten, die unter Verwendung von Harnstoff-Formaldehydharzen hergestellt wurden, geben über Jahre hinweg Formaldehyd ab. Manche Fertighäuser aus den 60er und 70er Jahren weisen aufgrund der verwendeten Spanplatten auch heute noch bedenkliche Konzentrationen von Formaldehyd auf.

Gesundheitsgefahren: Reizung der Schleimhäute (Augen, Nase, Rachen). Auslösen von allergischen Reaktionen.

Sanierung / gesetzliche Vorgaben: Bei beweglichen Teilen (z.B. Möbel aus Spanplatten) oder leicht zu entfernenden Einbauten ist die Entsorgung zu empfehlen. Bei großen Flächen oder tragenden Wänden sollte anhand von Raumluftuntersuchungen ein Sanierungskonzept erstellt werden.

Hier reichen die möglichen Maßnahmen vom nachträglichen Einbau einer Lüftungsanlage über die teilweise Entfernung von belasteten Materialien bis hin zum vollständigen Rückbau in Extremfällen.

Sie haben noch Fragen? Kontaktieren Sie mich gerne

Helmut Köttner

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